Neue Kamera kaufen - macht das Sinn?

Als Hobbyfotograf und leidenschaftlicher „Tech-Nerd“ ist man ja immer an einer guten technischen Ausrüstung interessiert. Das eine gute Kamera noch lange keine guten Bilder macht, solange das kreative Auge fehlt, ist klar. Diese Grundsatzdiskussion muss hier deswegen nicht geführt werden. Doch geht es besser? Kann ich meine Ausrüstung weiter optimieren? Kann ich sie vielleicht sogar verkleinern und dadurch effizienter gestalten? Gibt es tatsächlich einen oder mehrere Gründe, den Kauf einer neuen Kamera zu rechtfertigen, oder rede ich mir das nur ein? Diese Fragen schießen mir gerade wieder wie Wild durch den Kopf. Mit diesem Beitrag möchte ich, zugegeben komplett eigennützig, meine Gedanken zu diesem Thema teilen. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen ja auch eine Entscheidung zu treffen oder zu überdenken.


Wo stehe ich?

Zunächst einmal sollte man sich anschauen, welches Equipment sich im eigenen Besitz befindet. In meinem Fall, die folgenden Kameras und Objektive:

Canon Eos 5D mk IV

  • Sigma 24-70mm f/2.8 Standartzoom

  • Sigma 35mm f/1.4 Festbrennweite

  • Tamron 90mm f/2.8 macro

  • Canon 50mm f/1.8 “nifty-fifty” Festbrennweite

Fujifilm X-T4

  • Fujinon 18-55mm f/2.8-4 Standartzoom

  • Fujinon 50-140mm f/2.8 Telezoom

  • Fujinon 2x Telekonverter

  • Fujinon 10-24mm f/4 Weitwinkelzoom

  • Fujinon 56mm f/1.2 Festbrennweite

  • Fujinon 35mm f/1.4 Festbrennweite

  • Fujinon 30mm f/2.8 Makroobjektiv

 

Puh! Wenn man alles so auflistet, merkt man erst, wie viel Zeug man eigentlich hat…

Meine Canon Kamera besitze ich am längsten. Gekauft habe ich sie mir Anfang 2018, weil ich damals der festen Überzeugung war, dass die Kamera schuld an den schlechten Fotos sei. Klassisches Anfängerdenken eben.

Die Fujifilm habe ich mir Anfang 2022 gekauft. Grund dafür war tatsächlich das Sigma 70-200mm f/2.8 Objektiv für meine Canon 5D. Versteht mich nicht falsch, das Sigma ist ein herausragendes Objektiv, nur leider auch mit absolut herausragenden Ausmaßen. An der ohnehin bereits großen Canon befestigt, merkt man erst so richtig wie groß und schwer dieses Gespann ist. Da fragt man sich natürlich schon, ob das wirklich sein muss.

Mal wieder unzufrieden wie ich war, begann ich sodann nach alternativen zu suchen. Es muss doch ein kompakteres 70-200er f/2.8 geben, welches gute Bildergebnisse liefert und auch leistbar ist. Sony bietet zwar ein kompaktes, extern gezoomtes Teleobjektiv (extern = beim Zoomen schiebt sich der Tubus nach außen) an, jedoch wollte ich zu diesem Zeitpunkt per se keine Sony-Kamera haben. Ich fand die Bedienung einfach nicht gut. Kein pinch-to-zoom, keine swipen und allgemein eher sehr beschränkte Touch Funktionen hingegen jeglicher Intuition. Die App funktioniert eigentlich auch nur als ein einfacher Fernauslöser, mit dem sich, zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls, nur wenig anstellen ließ. Da war Canon und ist auch weiterhin allen anderen Herstellern weit voraus.

 

Keine Sony also. Was dann? Immer wieder stieß ich bei meinen Recherchen auf das Fujifilm-System. Zunächst zwar mit etwas misstrauen behaftet, dann aber mit steigender Begeisterung, informierte ich mich ausgiebig über deren Angebot und sog sämtliche Testberichte über die X-T4 und vor allem das 50-140er f/2.8 in mich auf. Dieses Objektiv war schließlich der Ausschlaggebend für die Umstellung. Für ein Fujinon Objektiv fällt es zwar ziemlich groß aus, ist jedoch insgesamt, gerade im Vergleich mit der Vollformat-Welt, relativ kompakt. Auch die Bildqualität lässt für sich sprechen.

Überhaupt besticht die Fujifilm-Familie durch sehr kompakte Objektive und Kameras, ohne gleich Kompromisse an der Bildqualität eingehen zu müssen.

Ich genieße die kompakte Ausrüstung sehr. In meinem Rucksack ist deutlich mehr Platz wie vorher und für Spaziergänge komme ich auch sehr gut mit einer kleinen Umhängetasche aus. Außerdem falle ich mit der Kamera nicht gleich auf, was mir auch sehr wichtig ist.

 

Doch kann die Fujifilm X-T4 meine Canon 5D mk IV ersetzen? Nicht ganz. Die Qualität der RAW-Aufnahmen ist ungefähr auf gleichem Niveau. Ein ISO über 6400 ist bei beiden nicht mehr gut zu gebrauchen und ob ich 30 Megapixel bei der Canon, oder 26 MP bei der Fuji habe, spielt auch keine große Rolle. Den Weißabgleich trifft die 5D mit Abstand immer noch am besten und zuverlässigsten, doch zur Not lässt sich das in Lightroom gut korrigieren.

Das Fokussytem bei der Fuji ist zwar moderner, aber nicht unbedingt treffsicherer. Gerade auf die Augenerkennung ist oft kein Verlass. In Verbindung mit den oft eher antikvierten Fokusmotoren einiger (ansonsten richtig guten) Objektiven, würde ich diese Kamera für den Einsatz auf Hochzeiten oder ähnlichem nur ungerne verwenden.

Die Bedienung der X-T4 ist gut und meist intuitiv, moderne Touchgesten wie man sie auf dem Smartphone gewohnt ist, sind auch hier integriert. Die Appfunktionen sind solide, aber noch nicht auf Canon Niveau.

 

Insgesamt betrachtet bin ich mit der Fujifilm X-T4 sehr zufrieden und habe mit ihr bereits einige gute Bilder aufnehmen können. Dennoch vermisse ich manchmal den Vollformat-look und die doch noch etwas feinere Bildqualität einiger Vollformatobjektive.


Wo will ich hin?

Was müsste meine nächste Kamera denn alles besser können? Sie müsste auf jeden Fall einen höheren ISO-Wert als 6400 vertragen können, es müssen Objektive mit sehr guter Abbildungsleistung verfügbar sein, der Autofokus muss absolut verlässlich und treffsicher sein und das alles bitte bezahlbar!

Sehr schnell würde die Wahl auf eine Sony A7 fallen. Das Vollformatsystem von Sony ist bereits seit einiger Zeit sehr erfolgreich auf dem Markt vertreten und es können auf dem Gebrauchtmarkt relativ günstig, gute Objektive gefunden werden. Auch Dritthersteller wie Sigma oder Tamron liefern für den Sony E-Mount bereits seit geraumer Zeit, erstklassige und preiswerte Objektive. Einem Neueinsteiger würde ich vermutlich auf jeden Fall empfehlen, sich das Sony-System einmal genauer anzuschauen.

Auch Nikon ist mit ihren Systemkameras und dem Z-Mount-System bereits länger recht solide auf dem Markt vertreten. Auch hier bieten Sigma und Tamron gute Objektiv-Alternativen an.

Letzten Endes fällt die Wahl für mich persönlich jedoch wieder auf eine Canon Kamera. Ich benutze meine 5D mk IV immer noch sehr gerne, schätze die gute Bedienung und Handhabung, sowie den Funktionsumfang der Smartphone-App. Canon hat im Autofokus-Game sehr stark aufgeholt und befindet sich mit Sony mindestens auf einem Level.

Am wichtigsten ist mir aber, dass ich nicht mehr zwei unterschiedliche Systeme führen muss. Ja, Canon hat natürlich einen neuen Mount für deren spiegelloses Kamerasystem eingeführt (technisch bedingt), jedoch lassen sich die alten Objektive mit dem hauseigenen Adapter unbeeinträchtigt weiter nutzen. Ich möchte keine Objektive oder Blitze mehr doppelt, für jedes Kamerasystem kaufen müssen. Ich möchte langfristig mein Equipment auf das nötigste reduzieren. Ich bin generell ein großer Freund von Effizienz und Langlebigkeit. Langlebig sind beide Kamerasysteme. Aber in meinen Augen ist es nicht besonders effizient, zwei unterschiedliche, untereinander inkompatible, Systeme parallel zu bedienen. Das stimmt mich mit der Zeit zunehmend unglücklicher.


Welche Kamera sollte es denn sein?

Welche Kamera darfs denn jetzt genau sein? Nun, es kommen für mich eigentlich nur die Canon Eos R6 mk II oder die Canon Eos R5 in Frage. Die 45 MP der R5 sind zugegeben ziemlich verlockend, doch der Aufpreis von ca. 2000 € der 24 MP starken R6 mk II gegenüber, ist nicht zu rechtfertigen. Die R6 kann ansonsten in allen für mich relevanten Punkten mit der R5 mithalten. Es ist sogar eine bessere ISO-Performance in Low-Light Situationen, aufgrund der geringeren Pixeldichte auf dem Sensor, zu erwarten.

Meine bisherigen Objektive wären mit dem hauseigenen Adapter weiterhin problemlos nutzbar. Ich bräuchte mir auch keinen weiteren Blitz anschaffen, nur weil einige Hersteller meinen, ihren Blitzschuh elektronisch unterschiedlich anbinden zu müssen. Sogar die Akkus der 5D können an der R6 mkII weiterhin verwendet werden und sind untereinander kompatibel. Ein Traum!

Welche Möglichkeiten habe ich bei der Objektivauswahl mit dem RF-Mount? Ich brauche auf jeden Fall einen (möglichst kompakten) Ersatz für mein Weitwinkel- und Telezoomobjektiv meiner Fuji.

Als Tele-Ersatz bietet sich eigentlich nur das Canon RF 70-200mm F2,8L IS USM an. Durch die extern gelagerte Zoomfunktion lässt sich dieses Fernrohr im Vergleich zu anderen 70-200ern relativ kompakt verstauen und wiegt mit 1077g nicht übertrieben viel. Auch der Filterdurchmesser von 77mm ist für solch ein Objektiv, solider Durchschnitt und fällt nur geringfügig größer als die 72mm meiner Fujinon Linse aus. Die Bildqualität ist Canon-typisch sehr gut und der Autofokus arbeitet zuverlässig und flott. Der Bildstabilisator gleicht Verwacklungen spielend aus. Leider auch Canon-typisch ist der recht hohe Preis, doch lassen sich gebraucht einige akzeptable Angebote finden. Einen passenden Telekonverter würde ich mir zunächst sparen, bisher habe ich selten eine Brennweite über 200mm ernsthaft benötigt.

 

Mit dem RF 14-35mm F4 L IS USM bietet Canon ebenfalls einen gleichartigen Ersatz zu meinem Fujinon 10-24mm f/4 an. Mit 540g ist das Objektiv angenehm leicht und es fällt zudem nicht zu groß aus. Der Filterdurchmesser beträgt auch bei dieser Linse 77mm (Vergleich Fujinon: 72mm). Die Bildqualität ist selbstverständlich auf hohem Niveau, jedoch weist das Objektiv, laut einiger Testberichte, leichte Schärfeeinbußen bei 14mm in den Rändern auf. Die stärkeren Verzerrungen im ultraweitwinkel-Bereich sind für mich nicht allzu schlimm. Anderes bin ich von meiner Fuji-Linse auch nicht gewohnt. Weitaus nachdenklicher stimmt mich die sehr stark auftretende Vignettierung im Bereich von 14 - 16 mm. Dies wird zwar gut durch ein wenig “Software-Magie” korrigiert, jedoch bin ich mir unsicher wie gut diese Korrekturen bei Nutzung eines Filtersystems funktionieren. Deswegen würde ich gerne in Zukunft bei dieser Linse einige Nachbesserungen sehen. Preislich bewegen wir uns zwar in einem akzeptablen Rahmen, aber gerade wegen der optischen Unstimmigkeiten im ultraweitwinkel-Bereich, würde ich lieber zu einem gebrauchten, wesentlich günstigeren Objektiv greifen. Leider gibt es zu dieser Linse bisher keine richtige Alternative.

 

Langfristig würde ich mir zusätzlich ein kompaktes, natives „Immerdrauf“ 24-70mm f/2.8 wünschen, jedoch bietet Canon hier aktuell keine relevanten Gläser an. Das RF 24-70mm/2,8 L IS USM ist mit Sicherheit ein absolut erstklassiges Objektiv, doch leider fällt es sehr klobig und teuer aus. Ein Klobiges Standardzoom habe ich mit meinem Sigma bereits, da brauche ich nicht noch eines. Hier würde ich gerne in Zukunft ein Sigma 24-70mm F2.8 DG DN II Art oder ein Tamron 28-75mm F/2.8 Di III VXD G2 sehen. Diese sind wesentlich kompakter und unscheinbarer. Da kann ich auch gerne auf die letzten 5% Bildqualität verzichten. Letztlich möchte ich ja gerade nicht mit einer üppigen Fotoausrüstung auffallen.

 Mit den bestehenden EF-Linsen und den beiden neuen RF-Linsen, hätte ich mit minimalem Aufwand, eine verkleinerte, jedoch verbesserte Ausrüstung geschaffen, die sich an der neuen Kamera problemfrei benutzen ließe. Ich müsste mir keine Objektive „doppelt“ kaufen. Die „Alte“ Canon 5D würde sodann als BackUp Kamera Verwendung finden. Aktuell ist sie ja immer noch die zweite Hauptkamera.


Schlussgedanken

Mit meinem derzeitigen Equipment lassen sich nach wie vor hervorragende Bilder schießen. Technisch ist es immer noch einigermaßen auf dem aktuellen Stand. Würde ich jetzt mein gesamtes Fujifilm-System verkaufen, könnte ich mir zwar das neue Canon-System zum großen Teil finanzieren, jedoch fällt der Mehrgewinn dadurch zurzeit nicht besonders groß aus.

Der für mich bisher wichtigste und praktischste Grund ist tatsächlich, die Verkleinerung meines Objektivs- und Zubehörbestandes. Für meine Nutzungsverhältnisse habe ich einfach zu viel Zeug, auf gut Deutsch gesagt.

Wie bereits erwähnt, bevorzuge ich einen effizienten Einsatz meines Equipments, überhaupt meines ganzen Hab und Guts. Und der Zustand meiner Fotoausrüstung ist mir derzeit ein Dorn im Auge, den es zu beseitigen gilt. Ich muss nicht immer das neueste vom neuesten haben. Es muss jedoch zuverlässig, ohne nennenswerte Kompromisse sein. Ich könnte hier einige Beispiele nennen, wie ich in anderen Lebensbereichen versuche, möglichst effizient zu wirtschaften, das würde den Rahmen jedoch völlig sprengen. Effizient wirtschaften bedeutet für mich einfach gesagt, mir einmal etwas Gescheites zu kaufen um es anschließend möglichst lange und sinnvoll nutzen zu können. Im Bereich der Fotografie ist mir das bisher nur zu einem kleinen Teil gelungen.

Zum heutigen Zeitpunkt würde ich also noch nicht zwingend eine neue Kamera kaufen, auch wenn die Verlockung groß ist. Ich würde gerne noch in Zukunft eine Canon R6 mit einem höher auflösenden Sensor sehen. Die 24 MP der R6 mk II sind für mich zwar absolut ausreichend, ich bin jedoch 26 MP und 30 MP gewohnt. Das fühlt sich dann schon etwas nach einem Downgrade an. Mal abwarten, was Canon mit einer potenziellen R6 mk III auf den Markt bringt.

Viel lieber aber würde ich in Zukunft noch sehen, dass Canon endlich seinen RF-Mount öffnet und ihn Drittherstellern wie Sigma oder Tamron zugänglich macht. Erst dann wird der Objektivmarkt wieder spannend und man ist nicht mehr auf das teure, auch nicht immer ganz perfekte, Canon Glas angewiesen. Dann würde ich wohl, ohne zu zögern, direkt umsteigen.

 

Diesen Beitrag zu schreiben, hatte auf jeden Fall etwas Therapeutisches für mich. Es hilft mir meine Gedanken zu ordnen, um die Sachlage noch einmal durchdacht und nüchtern zu betrachten. Habe ich mir den Kauf einer neuen Kamera dadurch jetzt ausgeredet? Fürs Erste vielleicht, beerdigt ist die Überlegung nach wie vor nicht. Es gibt einige, persönliche triftige Gründe, die dafürsprechen. Der finanzielle Aufwand und das Marktangebot hingegen, rechtfertigen eine Neuanschaffung derzeit noch nicht. Ich werde das Thema definitiv weiterhin scharf beobachten. Eine künftige Veränderung am Kameramarkt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, dass ich die Lage noch einmal für mich einordnen muss und mir erneut die Frage stelle – Neue Kamera kaufen, macht das Sinn?

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